Gelbbauchunke – Lurch des Jahres 2014

Vorbemerkung
Mit der Wahl der seltenen Gelbbauchunke wollen wir eine bedrohte und durch Aussehen und Verhalten ungewöhnliche Amphibienart in den Blickpunkt rücken. Der Froschlurch des Jahres hat bei uns seine natürlichen Lebensräume durch menschliches Tun weitgehend verloren, findet aber Ersatzbiotope in Abbaugruben und auf militärischen Übungsplätzen. Dennoch steht es nicht gut um die einheimische Gelbbauchunke! Zwar ist die Art, allen Unkenrufen zum Trotz, europaweit nicht vom Aussterben bedroht, doch gilt sie in Deutschland als stark gefährdet. Hand aufs Herz, wer hat den Lurch des Jahres 2014 schon einmal am Wegesrand gesehen, wer den melodischen Klang einer rufenden Unke vernommen? Wer weiß, was ein Unkenreflex und was ein Unkenschnupfen ist?

Folgende Begleitmaterialien sind erschienen: Poster, Leitfaden, Flyer – alle als PDF.

Der Lurch des Jahres 2014
Aufgrund ihres ausgedehnten Gesamtverbreitungsgebiets in Europa ist die Gelbbauchunke derzeit noch nicht vom Aussterben bedroht. Allerdings sind trotz vielerlei Schutzmaßnahmen gerade in Mitteleuropa starke Bestandsrückgänge und Arealverluste bei dieser Art zu beklagen. Entsprechend ist die Gelbbauchunke in den Rote-Liste-Kategorien „vom Aussterben bedroht“ (Luxemburg), „stark gefährdet“ (Deutschland, Schweiz) oder „gefährdet“ (Österreich) eingestuft.

Unken-Steckbrief

  • – Wissenschaftliche Bezeichnung: Bombina variegata
  • – Kleiner Froschlurch mit gedrungenem, abgeflachtem Körper und breiter, abgerundeter Schnauze
  • – Kopf-Rumpf-Länge meist wenig über 40 mm, selten über 55 mm
  • – Augen auf der Kopfoberseite, herzförmige Pupillen
  • – Rücken durch viele mit Hornstacheln besetzte Wärzchen rau
  • – Relativ lange Hinterbeine mit gut ausgebildeten, bis an die Zehenspitzen reichenden Schwimmhäuten
  • – Oberseite graubraun, lehmgelb; oft mit kleinen runden oder länglichen Flecken
  • – Unterseite mit individuellem, auffallend gelb-schwarzem/grauem Muster

Biologischer Steckbrief

  • – Mehr oder weniger ganztägig in und an Kleingewässern aktiv
  • Leise, melodische Paarungsrufe der Männchen aus gleichmäßigen Einzelklängen in mehrminütigen Ruf-serien:
  • – Paarungsumklammerung der Männchen im Lendenbereich der Weibchen
  • Mehrmalige Ablage kleiner Laichklumpen mit jeweils 10–20 Eiern (max. 130) an Wasserpflanzen, Grashalmen;
  • – Larven beim Schlupf 6–10 mm lang, max. Gesamtlänge vor der Metamorphose ca. 50 mm
  • – Umgewandelte Jungunken (Metamorphlinge) sind meist 10–20 mm lang
  • – Nahrungsaufnahme v. a. an Land, 80 % der Beutetiere sind Insekten; die Kaulquappen ernähren sich von
  • Wegen der Hautgifte nur wenige natürliche Feinde wie Waschbär, Graureiher, Ringelnatter, Wasserfrösche;
  • – Bei Bedrohung wird der Körper im vorderen und hinteren Teil kahnartig nach oben gebogen (Unkenreflex/
  • – In der Natur können Gelbbauchunken bis zu 19 Jahren, im Terrarium noch älter werden

Verbreitung
Die Gelbbauchunke lebt ausschließlich in Europa. Den größten Teil des Verbreitungsgebietes, vom südwestlichen Frankreich über große Teile Mitteleuropas bis in die Karpaten (Rumänien), besiedelt die Unterart Bombina variegata variegata, während sich auf der Balkanhalbinsel das Areal der Unterart Bombina variegata scabra anschließt. Vor allem entlang der westlichen und nördlichen Verbreitungsgrenzen hat die Gelbbauchunke durch menschliche Aktivitäten großflächige Arealverluste erlitten, sodass ihr Verbreitungsbild dort gegenwärtig stark zersplittert erscheint.

In Europa kommen zwei weitere Arten der Gattung Bombina vor: die Rotbauchunke, Bombina bombina, und die Italienische Gelbbauchunke, Bombina pachypus. Entlang der östlichen Verbreitungsgrenze kommt es zu Kontaktzonen und Hybridisierungen zwischen Gelb- und Rotbauchunken, beispielsweise in der Umgebung von Wien, im Donaubecken oder im Bereich der ungarischen Tiefebene.

Die größten Höhen erreicht diese Art, die auch Bergunke genannt wird, mit 2.200 m ü. NN in Albanien und Griechenland. Auf der Adelegg in Bayern (Kreis Ravensburg) kommt sie noch auf rund 1.000 m ü. NN vor.

Das Unkenjahr
Gelbbauchunken erscheinen meist ab April im Laichgewässer, seltener auch schon im März. Die Zuwanderung erfolgt v. a. in regnerischen Nächten bei mittleren Tagestemperaturen von 10 °C.

Fortpflanzungsaktivitäten (rufende Männchen) beginnen bei Wassertemperaturen von rund 11–15 °C. Der erste Laich wird Ende April/Anfang Mai abgesetzt, doch pflanzen sich die Tiere bis in den Juli/August hinein fort. In dieser Zeit wechseln die Unken häufiger ihre Aufenthaltsorte zwischen den vom Regenwasser gefüllten vegetationslosen bzw. -armen Fortpflanzungsgewässern, den eher vegetationsreichen Aufenthaltsgewässern sowie dem Landlebensraum.

Nach Abschluss der Embryonalentwicklung (4–10 Tage) schlüpfen die Larven, die sich ab Mai regelmäßig in unterschiedlichen Entwicklungsstadien im Wasser finden. Mitte Juni/Anfang Juli ist die Metamorphose der zuerst geschlüpften Larven abgeschlossen, und erste Jungunken können beobachtet werden. Im Laufe des Sommers verlassen die adulten Unken die Gewässer, kurz darauf auch die Jungunken. Die Winterquartiere an Land werden ab September/Oktober aufgesucht.

Der UnkenlebensraumLebensraum Ein idealer Gelbbauchunken-Lebensraum liegt im Offenland in Waldnähe und besteht aus „gut vernetzten“ feuchten und trockenen Teilbereichen. Die Art bevorzugt zur Fortpflanzung sonnenexponierte, sich leicht erwärmende Klein- und Kleinstgewässer mit geringer Räuberdichte. Bei größeren Gewässern werden flache Randbereiche besiedelt. Aufenthaltsgewässer befinden sich nicht selten auch im Wald. Natürliche Laichgewässer sind z. B. Überschwemmungstümpel entlang von Fließgewässern, Bachkolke, Quelltümpel, Wildsuhlen. In der Kulturlandschaft werden Ersatzlebensräume besiedelt, wie Abbaugruben, militärische Übungsplätze, gelegentlich Viehweiden. Tagesverstecke und Winterquartiere finden Unken in Steinhaufen, unter Totholz und in diversen Lückensystemen, oft in Wassernähe bzw. im Wald.

Gefährdung
Die Gründe für den Rückgang der Gelbbauchunke sind insbesondere in der Beeinträchtigung bzw. im Verlust der Lebensräume, vor allem geeigneter Gewässerkomplexe, und in deren fehlender Vernetzung zu suchen. Besonders die ursprünglichen dynamischen Lebensräume in den Talauen der Mittelgebirgsflüsse und -bäche sind durch Uferverbau und Wegfall der Überschwemmungsflächen heute weitestgehend zerstört. Wichtige Gefährdungsursachen sind:

  • – Verfüllung von Laich- und Aufenthaltsgewässern
  • – Beseitigung von wasserhaltenden Fahrspuren
  • – Beseitigung von Kleinstrukturen wie feuchten Mulden, Stein- und Reisighaufen, Brachflächen, Hecken
  • – Nutzungsaufgabe von Abbaugruben, militärischen Übungsplätzen und anschließende Rekultivierung; bei Zielsetzung Naturschutz und fehlenden Maßnahmen: Wegfall von Kleinstgewässern, Sukzession, Verbuschung und Wiederbewaldung
  • – Fragmentierung/Isolation durch Ackerflächen, Siedlungen, Straßen und Bahntrassen, dadurch fehlender Individuen-/Genaustausch

Schutz
Um geeignete Lebensräume für die Art zu erhalten und neue zu schaffen, ist ein gezieltes, auf die Ansprüche der Gelbbauchunke abgestimmtes Biotopmanagement erforderlich. Wichtige Schutzmaßnahmen sind:

  • – Erarbeitung/Umsetzung/Fortschreibung von Artenschutzprogrammen
  • – Sukzession und Verschattung von Laichgewässern und Landlebensräumen durch geeignete Maßnahmen unterbinden; z. B. in Sekundärbiotopen durch Beweidung und/oder
  • – Abschieben von Oberboden mit Vegetationsdecke, insbesondere im Randbereich der Gewässer
  • – Regelmäßige Neuanlage von mehreren Gewässerkomplexen aus 10–20 flachen, besonnten, vegetationsarmen Kleingewässern in Verbindung mit geeigneten Landhabitaten; Sicherung und Anlage von Landverstecken
  • – Erhaltung und Pflege vorhandener Laichgewässer, z. B. durch manuelle Entfernung von aufkommendem Schilf und Rohrkolben oder Wasserpflanzen während der
  • – Vegetationsperiode oder durch Ausräumung mit Bagger, um Verlandung vorzubeugen
  • – Erhaltung bzw. Anlage von wasserführenden Fahrspuren im Wald und auf Feldwegen; keine weitere
  • – Kontinuierliches Monitoring möglichst aller bekannten Vorkommen , v. a. an den Arealgrenzen

Lesetipps
Gollmann, B. & G. Gollmann (2012): Die Gelbbauchunke: von der Suhle zur Radspur. – Beiheft der Zeitschrift für Feldherpetologie 4, Laurenti-Verlag, Bielefeld, 176 S. Mermod, M., S. Zumbach, A. Borgula, E. Krummenacher, B. Lüscher, J. Peller & B. Schmidt (2011): Praxismerkblatt Artenschutz Gelbbauchunke Bombina variegata. – Online unter: www.karch.ch.
Thüringer Landesanstalt für Umwelt (Hrsg.) (1996): Verbreitung, Ökologie und Schutz der Gelbbauchunke. – Beiträge der internationalen Vortragstagung in Jena, Freistaat Thüringen, vom 10. bis 12. November 1995. – Naturschutzreport, Jena, 11(1/2): 1–325.

DGHT-Arbeitsgruppe Feldherpetologie und Artenschutz
RICHARD PODLOUCKY, Isernhagen
ARNO GEIGER, Recklinghausen
DIRK ALFERMANN, Waging am See
DANIELA DICK, Leipzig
Verantwortlich AXEL KWET, Fellbach

Text: ANDREAS NÖLLERT und RICHARD PODLOUCKY

Gestaltung: Flyer und Broschüre DARINA SCHMIDT, Poster ANGELIKA und SIEGFRIED TROIDL, Web ANDREAS MENDT.
Bilder: AXEL KWET, ANDREAS MEYER, ANDREAS NÖLLERT, RICHARD PODLOUCKY, BENNY TRAPP

Weitere Informationen und Lesetipps erhalten Sie unter www.dght.de und www.feldherpetologie.de.

© DGHT 2013